Entgegen einer immer wieder anzutreffenden – teilweise auch von Rechtsschutzversicherern verbreiteten – Fehlinformation kann eine Kündigung des Arbeitgebers auch dann unwirksam sein, wenn kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht.

a.

Allgemeiner Kündigungsschutz setzt nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber in der Regel zehn (bzw. fünf) Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt (der „Schwellenwert“ des § 23 KSchG unterscheidet bzgl. der Arbeitnehmerzahl nach „Neufällen“ und “Altfällen“) und dass das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate bestanden hat (Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG).

Da Arbeitnehmer in diesem Sinne anteilig und nicht „pro Kopf“ gezählt werden, bereitet teilweise bereits die korrekte Berechnung der Arbeitnehmeranzahl („Schwellenwert“) in der Praxis erhebliche Probleme, zumal ggf. auch kompliziert ist, ob und ggf. wie bspw. ruhende Arbeitsverhältnisse (Elternzeit o.ä.) zu zählen sind. Hinzu kommt, dass es allgemein anerkannte komplexe Rechtsinstitute wie bspw. den „Gemeinschaftsbetrieb“ gibt, der eine Zusammenrechnung der Arbeitnehmer mehrerer Unternehmen ermöglicht. In der Praxis kommt es zudem vor, dass bei genauer Prüfung tatsächlich keine Kündigung innerhalb der sechsmonatigen „Wartezeit“ vorliegt, wenn es bspw. frühere Beschäftigungsverhältnisse/-zeiten gibt. Diese können unter Umständen rechtlich anzurechnen sein.

b.

Auch bei Nichteingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes können arbeitgeberseitige Kündigungen keineswegs nur wegen formellen Fehlern (bspw. fehlende Schriftform, unterlassene oder fehlerhafte Betriebsratsanhörung), sondern auch aus inhaltlichen (materiellen) Gründen unwirksam sein. Dies gilt bspw. dann, wenn die Kündigung aus sittenwidrigen oder diskriminierenden Gründen erfolgt. Zudem kann auch im Kleinbetrieb, d.h. bei Nichterfüllung des „Schwellenwerts“ des § 23 KSchG, eine betrieblich veranlasste Kündigung allein deswegen unwirksam sein, weil bei der Auswahl des/der zu kündigenden Arbeitnehmer(s) nicht ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gewahrt wurde.

Zudem können auch bei Nichteingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes besondere Kündigungsschutzvorschriften greifen, so dass Kündigungen ohne etwaig erforderliche behördliche Zustimmung unwirksam sind (bspw. Kündigungen Schwangerer oder Kündigungen Schwerbehinderter im Kleinbetrieb nach mehr als sechs Monaten).

c.

Soweit die Voraussetzung des allgemeinen Kündigungsschutzes erfüllt sind (d.h. insbesondere: Erfüllung der sechsmonatigen „Wartezeit“ des § 1 Abs. 1 KSchG und des „Schwellenwertes“ des § 23 KSchG), besteht für den Arbeitnehmer allgemeiner Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber bedarf dann für eine ordentliche Kündigung eines personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Kündigungsgrundes.

aa.

Personenbedingte Gründe sind – wie der Namen schon sagt - in der Person des Arbeitnehmers begründet. Die wichtigste Erscheinungsform stellt die krankheitsbedingte Kündigung dar (und der dieser grundsätzlich zuzurechnende Fall der Alkoholabhängigkeit). Die Rechtsprechung unterscheidet im Wesentlichen zwischen vier unterschiedlichen Erscheinungsformen der krankheitsbedingten Kündigung (dauerhaft Erkrankung, langfristige Erkrankung, häufige Kurzerkrankungen und krankheitsbedingte Leistungsminderungen). Für krankheitsbedingte Kündigungen sind diverse weitere Voraussetzungen erforderlich, namentlich erhebliche Beeinträchtigungen vertraglicher oder betrieblicher Interessen, eine negative Gesundheitsprognose, das Fehlen milderer alternativer Mittel/Maßnahmen sowie eine umfassende Interessenabwägung. Dabei ist auch von Relevanz, ob und ggf. mit welchem Ergebnis ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt wurde, bzw. ggf., aus welchen Gründen dies nicht der Fall war.

Daneben gibt es auch weitere – in der Regel weniger praxisrelevante - Erscheinungsformen der personenbedingten Kündigung, wie bspw. die vom Arbeitnehmer zu verbüßende Strafhaft oder ggf. der Entzug der Fahrerlaubnis eines angestellten Berufskraftfahrers.

bb.

Verhaltensbedingte Gründe beziehen sich auf steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers, welches einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten bedeutet. Derartige Verstöße können im Leistungsbereich (bspw. Schlechtleistung, Verspätungen, Arbeitsverweigerung) oder im Vertrauensbereich (bspw. Diebstahl von Betriebsmitteln, Konkurrenztätigkeit, Beleidigung des Arbeitgebers, Entgeltfortzahlungs- oder Spesenbetrug) liegen. Teilweise bedarf es vorhergehender Abmahnung(en). Ob eine verhaltensbedingte Kündigung angemessen ist oder bspw. eine Abmahnung als mildere Alternative ausgereicht hätte, ist umfassend unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände zu würdigen, zu denen unter anderem die Beschäftigungszeit, ein ggf. erworbenes Vertrauenskapital, etwaige Entschuldungsgründe, frühere Vertragsverletzungen und etwaig bereits ausgesprochene Abmahnungen zählen.

Ist eine vorhergehende Abmahnung nach Auffassung des Arbeitsgerichts erforderlich, ist ggf. im Laufe eines Kündigungsschutzprozesses (inzidenter) zu prüfen, ob und inwieweit (eine) vor der streitgegenständlichen Kündigung ausgesprochene Abmahnung(en) gleichgelagertes Fehlverhalten betraf(en) und wirksam/begründet war(en). Daher ist aus Arbeitgebersicht auch bereits beim Ausspruch einer Abmahnung fachanwaltliche Beratung sinnvoll, da ein späterer Kündigungsschutzprozess allein deshalb verloren werden kann, weil eine zeitlich vorgelagerte - und nach Auffassung des Arbeitsgerichts erforderliche - Abmahnung unwirksam / unbegründet war. Aus Arbeitnehmersicht ist aus denselben Gründen nach Erhalt einer Abmahnung sorgfältig und unter Berücksichtigung taktischer Überlegungen zu überprüfen, ob und inwieweit es sinnvoll ist, gegen diese im Wege der (rechtsanwaltlichen) Gegendarstellung und/oder Klage vorzugehen.

Die verhaltensbedingte Kündigung kann für den Arbeitnehmer zudem bedeuten, dass die Agentur für Arbeit die (regelmäßig zwölfwöchige) Sperrzeit bzgl. des Bezugs von Arbeitslosengeld I verhängt.

cc.

Betriebsbedingte Gründe beziehen sich auf Ursachen aus der Arbeitgebersphäre. Sie setzen voraus, dass aus unternehmensinternen Gründen (bspw. organisatorische Veränderungen) oder externen Gründen (bspw. Auftragsrückgang) mehr Arbeitnehmer in einem Betrieb oder Betriebsbereich angestellt als für das dortige Arbeitsaufkommen erforderlich sind. Werden nicht alle Mitarbeiter des betroffenen Betriebs oder Betreibsbereichs gekündigt, ist ggf. eine Sozialauswahl durchzuführen. Gerade im Rahmen der Sozialauswahl gibt es komplexe rechtliche Problematiken, bspw. bzgl. der Fragen, welche Arbeitnehmer kündigungsschutzrechtlich als vergleichbar anzusehen sind, wie sich dabei hierarchische Unterschiede auswirken und welche Relevanz bestehenden Versetzungsklauseln und gelebten Vertretungsregeln zukommt.

d.

In einem Kündigungsschutzprozess ist einer der vorstehenden Kündigungsgründe vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, soweit der Arbeitnehmer frist- und formgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und das Vorliegen des Kündigungsgrunds in prozessual einwandfreier Weise bestritten hat. Kann der Arbeitgeber den Kündigungsgrund nicht hinreichend darlegen und ggf. beweisen, ist der Klage des Arbeitnehmers stattzugeben, d.h. die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich festzustellen. Dies führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich ungekündigt fortbesteht und dass der Arbeitgeber für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist (Annahmeverzugs-) Vergütung nachzuzahlen hat, wobei der Arbeitnehmer sich ggf. anderweitigen Zwischenverdienst anrechnen lassen muss.

Neben dem eigentlichen Kündigungsgrund hat der Arbeitgeber darzulegen, dass und ggf. aus welchen Gründen mildere Mittel wie bspw. eine Versetzung in eine andere Abteilung oder einen anderen Betrieb oder ggfs. Änderungskündigung zur Vermeidung der Kündigung nicht in Betracht kamen. Kann er dies nicht, kann die Kündigung auch allein aus diesem Grund unwirksam sein.

Für sämtliche Gruppen von Kündigungsgründen gibt es umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der deutschen Instanzgerichte und auch teilweise des Europäischen Gerichtshofs, deren vertiefte theoretische und praktische Kenntnis sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer unerlässliche Voraussetzung für eine bestmögliche Prozessführung sind.